Letztes Wochenende war ich -weil ich nichts besseres zu tun hatte- in Chicago. F?r einen Kurztrip. Und weil es ja auch kein big deal ist, f?r ein als h?chst ?berfl?ssig geglaubtes Internetmarketing Seminar binnen weniger Tage 8000 Pr?mienmeilen auf die Miles&More-Karte zu ballern und f?r 48 Stunden Aufenthalt mit Wissensinfusion 30 Stunden zu reisen.
Aber gut, ich war ja immmerhin mal wieder vor der Haust?re und hab neue fremde Betten kennengelernt. Da fragte mich doch noch gestern der Typ aus der Buchhaltung, warum ich denn bei 4 Tagen Reise nur 2 ?bernachtungen abrechnen w?rde. Gerne h?tte ich ihm meinen R?cken und meine Beine antworten lassen, da? das unglaubliche Ph?nomen der Erdrotation f?r diese Sparma?nahme zust?ndig war. Ich verzichtete und sagte im nur, da? ich eine Nacht im Flieger war. Apropos Flieger. Mann mann, was ist das doch alles f?r ein Nepp! Gestern abend war ich im Kino und hatte einen besseren Sitz als in der Economy-Class von United Airlines! Und die Leinwand war auch gr??er, vom Sound gar nicht zu sprechen! Menschen mit meiner K?rpergr??e bzw. Beinl?nge haben da aber auch echt nichts zu lachen. Eingepfercht und bewegungsunf?hig vertreibt man sich mit ollen Filmen die Zeit ?ber den Wolken, nur unterbrochen von menschlichen Bed?rfnissen, Airline-abh?ngigen kulinarischen Verbrechen und dem Bewegungsdrang nachgegeben habenden Spazierg?ngen mit der Kamera im Anschlag.
Mit etwas Gl?ck gibt es irgendwo eine interessante Konversation, der man lauschen kann. Mit meinem ?blichen Pech hingegen hat man so Spaten vor sich sitzen wie den einen frankfurter Yuppie, der mich bald in den Wahnsinn getrieben hat. Der sitzt neben einem hilflosen indischen Gesch?ftsmann und textet den armen Menschen von A bis Z in seinem extrem vergeblichen Englisch f?r zum Davonlaufen zu. Auf einmal h?r ich diesen Schmock sagen: „the advantage of Germany is that it’s big, and India is small, you know?“ – und es rei?t mich bald vom Stuhl.
In London verlaufen wir uns erstmal ganz klassisch, gehen nicht durch die „Connection flight“-Schleuse sondern reisen mal eben ein. Die nette Dame am United-Schalter stellt dann an unser Statt fest, da? es arg Zeit wird, zum Gate zu gehen und bringt uns im Stechschritt durch die Security und zu einem Gef?hrt, das sonst nur ?ltere und Gehbehinderte durch den Flughafen kutschiert. Gut, ein wenig peinliches Auftreten geh?rt halt dazu, wenn man was erleben will. Beep-beep-beep-beep… so geht es im super-pursuit mode durch Heathrow, unser Fahrer br?llt alle, die uns im Weg stehen aus sicherer Entfernung zusammen, soda? gerade so niemand zu Schaden kam. Was ein Erlebnis!
Etwas weniger relaxed ging es dann mal wieder bei der Einreise in die Staaten zu. Man machte 2 Warteschlangen: Eine f?r die ehrenwerten american people, die andere f?r die Terroristen. -Rate, in welcher Schlange wir fast anderthalb Stunden standen! Dieses Land ist echt das allerletzte, ein ?berwachungsstaat par excellence, wo einem eine Gestapo ‚willkommen‘ hei?t. What a great country!
Wer mal nach Chicago reist, der sollte es dringend vermeiden, in einem Subburb wie Itasca abzusteigen. Wenn ?berhaupt ein Taxifahrer dahin kutschieren will, dann kostet das $55 ab O’Hare. Mit der Bahn nach Downtown sind es zwar nur $5 ($80 gegn?ber einem Taxi gespart), aber daf?r dauert das Unterfangen gleich 40 Minuten. Wirklich viel gesehen habe ich nat?rlich nun nicht wirklich, aber immerhin war ich auf dem Sears-Tower und habe mir das Spektakel von oben angeschaut, was angesichts der 412 Meter hohen Aussicht schon was hermacht. Rauf geht es da echt wie im SciFi-Film: Mit 488 Meter pro Minute, also knapp 30 km/h. 12 Dollar, die sich lohnen. Wenn jetzt noch die Fenster sauber gewesen w?re, h?tte ich noch bessere Fotos…
Auf dem R?ckflug gab es noch eine skurrile Figur – die Amis haben es ja immer so mit der Religion. Da sitzt also dieser Meat-Loaf, schiebt das Tablett mit dem Fr?hst?ck beiseite und packt ein schwarzes, in Leder gebundenes Buch aus. Dazu h?ngt er sich zur Deko ein riesiges, goldenes Kreuz um den Hals und beginnt sein Lekt?re-Ritual. Am Ende laufen ihm dann aus den erf?llten Augen dicke Tr?nen ?ber die fleischigen Wangen. Zum Abschlu? k??t er die Bibel. -Kinder, la?t die Finger von den Drogen!
Hilton, Englischer Garten. Wieder eine dieser Fachmessen mit Konferenz-Angebot. Auf der einen Seite Pflichttermin, um endlich ein wenig mehr fundiertes Wissen ?ber Suchmaschinenmarketing anzuh?ufen einzukaufen, auf der anderen Seite eine extrem willkommene, wenn auch anstrengende Gelegenheit, dem Alltag zu entfliehen. 5 Sterne deluxe, na sch?n, wenn Ihr meint. Sollte ich irgendwann mal das Geld zum Sch***en haben, werde ich mir Hotels mit 6 oder noch mehr Sternen suchen m?ssen, in der Hoffnung, da? die wenigstens ihr Geld wert sind. Aber ok, immerhin Klassen besser als in Boston, und sogar nur halb so teuer.
In den Konferenzr?umen das gewohnte Bild: Schreibblock, Werbekuli, Getr?nkeauswahl (Cola, Fanta, Wasser mit, Wasser ohne, Wasser ganz ohne, O- und A-Saft), dazu Pfefferminz vom Werbepartner. Platz nehmen auf diesen Konferenz-St?hlen, von denen ich so langsam den Verdacht habe, da? es auf der Welt nur eine Firma gibt, die Konferenzr?ume bestuhlen darf. So gesehen ist M?nchen auf einmal M?nchen, Gerolstein, Bad Neuenahr, Boston, Bad Godesberg. Komplett austauschbar, das alles – chairwise, versteht sich.
Das selbe gilt f?r die Gesichter, die da rumlaufen, auch Austeller und Redner genannt. Allesamt Messehuren, die das ganze Jahr durch die Kongresse tingeln oder tingeln m?ssen. Neue Leute zu treffen wird schon schwer, wenn man mal so zwei-drei Kongresse zum selben Thema besucht hat. Oder auf einer Fachmesse war, da treffen sich eh alle wieder. Kein Wunder, da? man aufpassen mu?, nicht nach dem dritten Stand schon breit zu sein, bietet einem als „guter Bekannter des Hauses“ jeder gleich ein Gl?schen an. Beinahe ekelhaft gestaltet sich dieses Buhlen um neue Kunden, die Gesichter dieser Menschen am zweiten Messetag sprechen B?nde. Aber Hauptsache man bringt genauso viele Visenkarten mit, wie man selber verteilt hat.
Zur?ck nach M?nchen, auch wenn es schwerf?llt. Das beste an diesen beiden Tagen ist das, was ich mir notiert habe. Die Powerpoint-Abdrucke sind so gut wie unbrauchbar, reine Werbeprospekte. Nun ja, fast. Eine willkommene Abwechslung ist das Essen. F?nfzehnter Stock, hoch ?ber M?nchen, zum gemischten Vorspeisenteller bestaune ich die Alpen. ‚Nimm keinen kalten Fisch‘ hat mir eine Kollegin geraten, der das letzte Hilton-Essen nicht ganz so wie geplant bekommen war. Ich halte mich dran und genie?e, was die K?che so hergibt. Schlie?lich habe ich der Firma 40 Euro auf den Zimmerpreis gespart und bin stattdessen mit einem Schokoriegel und einem schwarzen Tee aus dem Wasserkocher in den Tag gestartet. Beim Zuckereir?hren denke ich mir noch, da? ich echt bescheuert gewesen sein mu?, den g?nstigsten Preis im Internet gebucht zu haben, weil ich nun wegen bekloppter Reisekostenregelung der Gelackmeierte bin. Kein Fr?hst?ck im Bauch, daf?r aber kaufm?nnisches Geschick bewiesen weil g?nstig die ?bernachtung gebucht. N?hme ich Fr?hst?ck, w?re mein Tagesanfangsbudget minus 17 Euro. -Hol das mal wieder rein in einer Stadt wie M?nchen!
Irgendwie stecken mir auch noch die 2 mal 40 Minuten Fu?weg vom Vorabend in den Gr?ten, als wir auf der Suche nach angemessener Abendverpflegung und durstl?schenden Getr?nken im Stechschritt quer durch den Englischen Garten in die City getobt sind. Oder kommt der Jetlag doch von dem letzten Weizen an der Hotelbar, mit dem ganz sicher irgendetwas nicht gestimmt haben mu??
Eines ist sicher, der Tag geht noch irgendwie rum. Dazu tr?gt der Referent da vorne jetzt erheblich bei. Sein Name klingt deutsch, aber ich mu? mich sehr zur Konzentration rufen, um sein Kauderwelsch zu verstehen. Er entschuldigt sich, er m?sse erst wieder sein Deutsch reaktivieren, da er gerade 3 Monate in Japan gelebt habe. Ich lausche gespannt seinen Worten, denn das lohnt sich allein schon vom Unterhaltungswert. Japan? -Keine Bohne! Das ist astreines Spanier-Deutsch mit tschechischem Akzent. „Bie chaben bier bor, das Proplem ?u l?se?“ -Keine Ahnung Jaun-Pavel, aber sag doch bitte nochmal „Qual der Wahl„!
Ein paar Stunden sp?ter schaukelt mich die S-Bahn durchs M?nchner Vorland zum Flughafen. Eben noch konnte ich den Anflug von Mi?gunst abwenden, der mich erfa?te, als ich im stark b?igen Wind an der Bushaltestelle stehend versucht habe, meine Kleidung zu kontrollieren, als ein maximal gleichaltriger aber 10mal st?rker gebr?unter Juppie im Designerzwirn den Chicks in der Hotel-Lobby winkend selbige verlie?, um nach einem kurzen Druck auf die Funkfernbedienung seinen im absoluten Halteverbot parkenden 911er zu aktivieren, l?ssig sein Aktent?schchen in den Kofferraum zu werfen und schlie?lich alle Zylinder boxend das Terrain verlie?. Vierzig Minuten drauf durchlaufe ich den ganzen Franz-Josef, kaufe mir noch eine Zeitung, die ich lese, w?hrend ich versuche, mich nicht ?ber die halbe Stunde Versp?tung meines Fluges zu ?rgern. Gut, da? ich mir nichts zu essen gekauft habe, sonst w?rde ich wahrscheinlich die Salzstangen, die mir die freundliche DBA mit einer Cola Light („Mit Zitronenscheibe und Eis?“ gereicht hat, verschm?hen m?ssen. Nein, dieser Fluglinie geb?hrt mein unbedingtes Lob. Getr?nk, Snack, Zeitung und ein Magazin – alles inklusive. Auf dem Hinflug war es noch der Focus Money, auf dem R?ckflug mu?te es der Playboy sein. Die DBA wei? eben, was M?nner wirklich wollen: Feierabend.
Dieses Weihnachten wird anders. Anders als alle vorigen ist ja von der Sache her nicht schwer, wird der eine oder andere sagen. Aber inhaltlich allein, und formal sowieso. Warum? Ganz einfach: Der Mann hat jetzt seinen eigenen Baum, und -soviel Zeit mu? einfach sein- das will ja schon mal was hei?en.
Gut, mein idiotischer Nachbar in Maastricht hatte letztes Jahr auch einen Baum, unter dem er dann mit seiner doofen Freundin eine Viertelstunde H?ndchen gehalten hat, bevor das Ding nadelnd und sich selbst in alle Einzelteile zerlegend durch den Hausflur wieder zur T?r getreten wurde. Nein nein, so meinte ich das nicht! Ich habe dieses Jahr einen eigenen, richtigen Baum, nicht so ein im Sommer geschlagenes Anf?ngerger?t f?r Leute mit zwei linken H?nden und keinem Hirn.
Mein Baum kommt zwar vom Obi, aber ich bin der festen ?berzeugung, da? ich den besten Weihnachtsbaum-Deal in diesem Jahr gemacht habe. Gut, die Tanne ist was gro?, zugegeben, aber der Altbau vertr?gt das schon. Und mit einer H?he jenseits der 2,70m waren die 10 Euro eigentlich extrem wenig Geld pro cm Weihnachtsfreude. Sogar gestandene Weihnachtsbaumk?ufer kamen da nicht umhin, mir f?r diese Anschaffung Respekt zu zollen.
?berhaupt kann man ja viel veranstalten, um das eigene, sozusagen v?llig abgenabelte Leben zu praktizieren, aber so richtig ausgezogen ist man glaube ich erst dann, wenn man sich und seiner Herzdame eine eigene Tanne in die H?tte stellt.
Auf die blo?e Gefahr hin, da? sich ab morgen die Welt ?ndert, nutze ich die heutige Gelegenheit, um mal wieder was zu Byte zu bringen. Das liegt nicht wirklich daran, da? einer meiner Arbeitskollegen heute dem Dienstwagen von Otto Graf Lambsdorff hinten drauf geschallert ist, und ich das so als politischen Aufh?nger nutzen k?nnte. Noch dazu an einem so denkw?rdigen Tage, an dem die Uhren sich nun angeblich anders zu drehen begonnen haben, nur weil Frau Merkel nun Frau Bundeskanzler hei?t. Oder Bundeskanzlerin? -Grausame Vorstellung, sich nur noch durch Phrasen wie „Eure Exzellenz“ in Sicherheit wiegen zu k?nnen. Daran hat wohl keiner gedacht, als Merkel zur Debatte stand. ?brigens schreiben unsere amerikanischen Kooperationspartner die neue Kanzlerin konsequent „Merkle“, analog dazu einer der Kollegen immer „Googel“ statt Google.
Aber gut, wenn sich die Ereignisse seit Wochen nur so ?berschlagen, werden die eigenen Erlebnisse pl?tzlich wesentlich unspektakul?rer. Eigentlich ist es auch gef?hlsm??ig ein bi?chen viel f?r ein Jahr. Also so ?hnlich wie es drau?en gerade gef?hlte minus 10 sind, tats?chlich aber nur minus 4. Papst werden, Kanzlerin werden, Deutschland sein… Also ich finde ja, das reicht f?r dieses Jahr. Man soll ja sein Pulver nicht auf einmal verschie?en, daf?r hat Angie mit uns Deutschl?ndern ja noch so einiges vor. Damit wir bisher aber nicht die Lust am Matriachat verlieren, gibt es die Steuererh?hungen erstmalig in 2007, bis dahin l?uft sicher noch viel Wasser den Rhein und die Spree runter. Apropos Rhein: Fr?her w?re Schr?der jetzt mit seinem Hofstaat nach Bonn gegangen und h?tte dort im Wasserwerk die Republik neu ausgerufen! Aber was macht er stattdessen? -Handtuch werfen, Waffen strecken, F??e hoch legen. Gut, wenn man es sich verdient hat, schlecht, wenn man noch was vor hatte.
Aber was hilft das ganze Lamentieren, es ist unterm Strich ja doch eher so, da? nur sicher ist, da? ich hier gerade sitze. R?rup oder Riester, privat oder betrieblich, besteuert oder unbesteuert – klar ist nur, da? dieses Land ganz schnell seine Vollkasko-Mentalit?t ablegen mu?, sonst werden wohl viele bald ein langes Gesicht machen. Die Zeiten ?ndern sich eben, und ich wei?, da? ich mich beeilen mu?, wenn ich nochmal einen automobilen Traum verwirklichen will. Sonst ist irgendwann Hybrid- oder Gasantrieb unter Aerodynamik-Karosse anstelle von 6-Zylinder und Chrom angesagt. Und mal ehrlich: Wer kann ein Auto wollen, von dem man nichts h?rt? Das ist wie alkoholfreies Bier…
Hab ich schon erw?hnt, da? ich ein „Gelber“ bin? -Damit schlage ich nicht etwa den Bogen zum Anfang zur?ck, nein, ich wurde f?r eine schier unglaubliche Tagesgage analysiert. Soll hei?en, ich habe einen Fragebogen mit ca. 40 geschlossenen Fragen angekreuzt und ein allem Anschein nach renommierter Management-Berater hat meinen Bogen dann durch ein Programm gejagt und mir die aus Textbausteinen zusammengeklebte Berichtmappe dann feierlich vorgestellt. Zun?chst die gute Nachricht: Ich geh?re zu den „Guten“, was immer das auch hei?en mag. Die schlechte: Ich hab keine Ahnung mehr, wie „ehrlich“ ich den Bogen dieses Gurus ausgef?llt habe. Bei der Besprechung suchte ich h?nderingend nach dem Namen von dem „Chacka“-Hansel aus Holland, um mich ein wenig von dem „das ist super“ und „machen Sie weiter so“ abzulenken. Emil Rattelband hei?t der, das fiel mir dann abends doch noch beim Tomatenschneiden ein. Aber was hei?t nun Gelb? Erstmal nix Schlimmes, soviel ist sicher, denn after all hoffe ich, da? mir doch etwas mehr Pers?nlichkeit und Charakter innewohnt, als man ihn mit einer noch so vollen Datenbank mit Textbausteinen beschreiben k?nnte. Offiziell, also nach Carl Jung, dem Erfinder des dem Insights-Konzept zu Grunde liegenden psychoanalytischen Ansatzes, bin ich als Gelber folgendes:
Inspiratoren sind extravertiert und gesellig und suchen ein angenehmes soziales Umfeld, in dem sie Kontakte kn?pfen und erhalten k?nnen. Sie sind f?hig, in anderen Begeisterung f?r eine Sache zu wecken und unterhalten ein ausgedehntes Netzwerk an Kontakten, das eine gute Grundlage f?r ihre Gesch?fte bildet. Gesellschaftlich gewandt, schliessen sie leicht Freundschaften und ?berwerfen sich mit anderen nur selten ernsthaft. Sie sind verbal geschickt und verkaufen ihre eigenen Ideen gut und wecken dabei Begeisterung in anderen.
Meine sprachliche Gewandtheit kommt in Wahrheit daher, da? ich samstags, wenn mir langweilig ist, in Baum?rkte gehe und mir von Verk?ufern neue Vokabeln beibringen lasse. So wie diesen Samstag, wo ich meinen Grundwortschatz um ein neues Wort erweitern konnte, nachdem ich in bester Dingsda-Manier auf einen Sanit?rfachverk?ufer zuging und nach einem „Chromdeckel f?r das zweite Loch in der Sp?le, also das, was nicht gebraucht wird“ fragte. Sich in sicherer ?berlegenheit w?hnend (und darum auch f?r einen Moment unglaublich arrogant grinsend) stolzierte er zum betreffenden Regal und holte dem d?mlichen Akademiker mit einem gezielten Griff das Gew?nschte aus dem Regal. „Hier“ sagte er, „es hei?t so, wie es tut: Ein Hahnlochstopfen.“
In anderen Kulturkreisen st?nde dieser Tage wieder mal mein Namenstag an. Nun ist das ja bei uns so wenig verbreitet, da? ich das selber nichtmal genau wei?, wann ich denn nun an der Reihe bin. Googeln hilft da zwar, aber mehr als sch?n zu wissen, da? es der 11.11. sein wird, ist es nun einmal nicht. Au?er, da? da die Bekloppten ihren Startschu? in diese uns?gliche Erfindung des Brauchtums „Karneval“ erleben und begehen, werden die Rheinl?nder wohl nichts anderes mit diesem Datum verbinden.
Umso sch?ner ist da dieser Brauch mit den Laternenz?gen. Vor gut einer Woche flatterte uns hier eine Ank?ndigung in den Briefkasten, wahrscheinlich vom Kindergarten auf der anderen Stra?enseite. Dort war von einem Laternenzug durch unsere Stra?e die Rede, und da? man doch bitte eine Kerze oder sonstwas stimmungsvoll Illuminierendes in seine Fenster stellen solle, damit die Kinder was zum Gucken h?tten. Verziert war das ganze dann durch einen namenlosen K?nstler mit etwas, das mich nach zwei Pullen Rotwein durchaus an eine Blume erinnern k?nnte.
Heute jedenfalls war dann der Umzug. Unsere Fenster waren selbstverst?ndlich unbeleuchtet, wie k?nnte es auch anders sein! Als ich diese kleinen Racker dann aber durch die Stra?en hab ziehen sehen, ist mir doch etwas sentimenal geworden. Alle so putzig im dicken Anorak (sagt man das heute noch zu warmen, unm?glich geschnittenen Jacken?), mit der Laterne in der einen Hand und Mutti an der anderen, und nat?rlich aus voller, stolzer Brust die typischen Ges?nge intonierend: „Ich zieh mit meiner Lateeeeeeeeeeeeerne, und meine Laterne mit mir“. Oder auch „das Licht ist aus, wir gehn nachhaus, rabimmel rabammel rabumm„. Und so weiter, und so weiter. W?re ich noch l?nger da drau?en dabei stehen geblieben, h?tte ich mir wohl eine Laterne „organisiert“ und w?re mitgelaufen, die Texte konnte ich jedenfalls noch weitgehend mitsingen.
Aber ach, was w?re das f?r eine kl?gliche Vorstellung geworden? -Nur mitgehen, um sich als Besserwisser da einzumischen und die Peinlichkeiten und die Schmach der eigenen Laternenumz?ge zu lindern? Nein, macht man nicht. Kinder m?ssen da durch, jedes Jahr von neuem. Ich erinnere mich gut an meine Laternen. Und auch, da? ich jedes Mal zu denen geh?rte, die das Teil immer -mehr oder weniger- heil und am St?ck wieder mit nach Hause gebracht haben. ‚War ja klar, du ewiger Spie?er‘ sagen die einen, die anderen werden mir wohl wieder den Lamer anzuheften versuchen. Das gr??te Drama meiner Martinsumz?ge waren damals auch keine Wachsflecken in dem Lampion und st?ndig ausgehende Kerzen, sondern vielmehr die dauernden H?nseleien durch all die Schwachmaten, die das zweifelhafte Gl?ck hatten, einen Namen zu tragen, der mit keinem Event einherging.
Gerechtigkeit kam dann damals dewegen auch in mehreren Formen: Ich erinnere mich noch als sei es gestern gewesen, an heulende Kindergartenkameraden, deren M?tter die lichterloh brennende Laterne mit dem Laternenstecken als Sch?rhaken brandmeisterlich fachm?nnisch am Stra?enrand den Elementen ?bergaben. Wem das 200 Meter nach dem Start passierte, bei dem war wortw?rtlich „das Licht ist aus, wir gehn nach Haus“ angesagt, aber sowas von! Im n?chsten Jahr wollte man dann cooler sein und vor allem nicht mehr zum Gesp?tt des ganzen Zuges werden, und vermied es deshalb, den Erfolg auf so l?cherliche Dinge wie eine sichere Kerze zu bauen. Technische Aufr?stung war das Gebot der Stunde, als die Laternenstecken auf einmal einen Batteriegriff hatten und vorne ein Birnchen dranhing. Energietechnisch waren die Teile eine absolute Katastrophe, wurden doch die mit Anerkennung belohnt, die so schlau waren, sich eine Ersatzbatterie f?r die letzten 800 Meter mitzunehmen, wo bei anderen schon l?ngst aufgrund versagender Babyzellen dunkel im Karton war. Ich hatte dann irgendwann auch mal so ein batteriebetriebenes Teil, und alles, woran ich mich in diesem Zusammenhang erinnere, ist die wohl einzige jemals durchgebrannte Birne, die je auf einem Martinszug in einen Lampion gesteckt wurde. Tja, so spielt das Leben eben. Da helfen auch keine Schmalzbrote und kein hei?er Kakao am Ende des Zuges (wobei heute sowieso unendlich fraglich erscheint, ob diese Nahrung bez?glich der biochemischen Prozesse, die solch eine fatale Kombination in einem Kinderinnenleben ausl?st, wirklich ein geeigneter Anreiz f?r die Teilnahme an einem Martinszug sein kann).
Aber ich w?re wohl sicher nicht ich, h?tte ich nicht damals schon das Risiko gemieden und in Form einer mitgebrachten Backup-Kerze antizipiert…
Gestern morgen in der B?ckerei:
Ich: „Ich h?tte gern das Krustenbrot. — Geschnitten.“
Sie nimmt das Brot, packt es in eine Papiert?te.
Ich: „Nein, entschuldigung, geschnitten hatte ich gesagt“
Sie: „Ich kann das nicht schneiden!“
Ich: „Wieso, ist die Maschine kaputt?“
Sie: „Nein, ich kann das nicht schneiden, weil das Brot noch warm ist.“
Ich: „Na, soo warm, da? Sie es nicht anfassen k?nnen, ist es wohl nicht mehr!“
Sie: „Nein, aber dann kleben die Scheiben zusammen!“
Ich: „Ich wei?. Dann mache ich sie eben nachher auseinander. Ich hab nunmal keine Brotschneidemaschine.“
Der Blick, den sie jetzt hat, l??t mich im Unklaren dar?ber, ob sie mich wegen der nicht vorhandenen Brotschneidemaschine oder wegen der verklebten Scheiben bemitleidet. -Wie kann man nur so frontal in sein Ungl?ck laufen, denkt sie sicher. Mag sein, wenn man sein Gl?ck an nicht klebenden Brotscheiben festmacht.
Seit gut einer Woche macht es mich beim Fernsehen ganz nerv?s, da? eine nicht zu untersch?tzende Menge VIPs mir durch die Mattscheibe zuruft, ich sei Deutschland. Zwischendrin pl?rrt ein Kind, ich solle von der Bremse runter, Didda Kawutzke schl?gt vor „sich de H?nd schmutzsch z’machen„, die Frau Fahrradkurierin will allen in den Hintern treten… Ja du meine G?te, was ist denn pl?tzlich in dieses Land gefahren? -Geht da gerade ein Ruck durch Deutschland, den ich nicht mitbekomme, weil ich jeden Tag arbeiten gehe? Und ?berhaupt, wer ist denn eigentlich hier die Zielgruppe?
Tjaha, der Xavier hat gut Lachen, der Olli auch, und der Korittke pieft sich einfach einen, wenn’s ihm mal schlecht geht. Und der Wickert, und die Kathie Witt, der Jauch, der Asamoah… alles Leistungstr?ger dieser Gesellschaft, die sich kein bi?chen Gedanken zu machen brauchen. Sowas soll den ?berzeugten Hartz-4er von der Couch und seinen kriminellen, drogens?chtigen Filius aus der Adidas Schnellfickerhose rei?en? Nicht Euer Ernst!
Wo bei mir noch ein Funken Stolz aufkommt, wenn ich an den Steueranteil meiner letzten Gehaltsabrechnung denke, w?hrend mir von der anderen Seite der Glasscheibe jemand zuruft, ich sei Deutschland, da lachen sich doch die 3 Penner, an denen ich jeden Morgen unweit des Bahnhofs vorbeilaufe sowas von kaputt bei, da? sie fast ihren Lambrusco versch?tten. Die haben n?mlich keinen Fernseher, die wissen gar nicht, da? auch sie Deutschland sein k?nnten, wenn sie doch nur ab und an ferns?hen und sich berufen lie?en.
Nee nee Leute, richtige Baustelle, aber falscher Film. Wer oder was ist denn nun wirklich Deutschland? -Dieses Kasperltheater, das die Herrschaften da in Berlin abziehen etwa? Der W?hler hat eindeutig gesprochen, und nun, nach 4 Wochen hat man sich doch noch dazu durchringen k?nnen, im W?hlerauftrag das Arbeiten beginnen und die Arroganz der Herrschenden ablegen zu wollen. Koalitionsverhandlungen, wenn ich das schon h?re! Was gibt es denn da noch zu verhandeln? Die Kost?me sind verteilt, bitte hinten anstellen, ihr Ticket liegt am Schalter f?r sie bereit. Und dann ab zum Mond, oneway.
Diese 82 Millionen Deutschl?nder kommen gar nicht umhin, sich verarscht zu f?hlen. Zum Beispiel, lieber Herr M?ntefering, pl?tzlich nun doch 2% Mehrwertsteuererh?hung fallen mit Sicherheit nicht mehr unter „man mu? manchmal Kompromisse eingehen, um eine stabile Regierung zustande zu bringen.“ Ach was soll’s auch, wir ham’s ja, nicht? Dieser Eindruck dr?ngt sich echt auf, wenn man zum verkaufsoffenen Sonntag in die Stadt geht. Da wird konsumiert bis die Schwarte kracht. Als ob es da was anderes g?be. Oder billiger. Oder von h?bscheren Verk?uferinnen. Und noch ein Eis und ne Wurst dazu, bruacht Mami sp?ter nicht mehr kochen.
Ihr Kinner, ich sach’s Euch, wenn ich Deutschland bin, dann liegt das Land bald ganz weit weg.
Wiedermal unterwegs gewesen, aber diesmal weit weg auf dem alten Kontinent. Irgendwie hake ich in letzter Zeit endlich mal wieder L?nder auf der „to visit“-Liste ab. 1200 km immer gen Osten, ?ber den Pott, durch die Ostzone, via Berlin und Frankfurt/Oder, an Posen vorbei schlie?lich und endlich nach Warschau, das liegt in Polen. Was wir dem armen Nissan der Dame damit zugemutet haben ist schon enorm: Da geht es gleich hinter der Grenze los mit Landstra?en-Terror, aber der ist vorerst nur zum Warmwerden.
Zweispurig zieht sich dort die Stra?e durch die Ein?de und verbindet den kapitalistischen Westen mit den Resten des einstigen Sowjet-Einflu?bereiches bis hin nach Wei?ru?land. Offiziell soll man da wohl 80 fahren, inoffiziell haben wir nichtmal ein Schild gesehen, an das man sich h?tte halten sollen. Daf?r aber jede Menge Nutten, die oft so ?berraschend an den unm?glichsten Stellen im Nirgendwo stehen, da? man sich geradewegs anbieten m?chte, sie zu fragen, ob sie sich verlaufen haben oder ob ihnen mit R?cken dieser K?rze nicht brutal kalt ist. Aber das ?bernahmen immer schon andere, die den M?dels ein paar Minuten im warmen Wagen gerne anboten.
Die Regeln der Stra?e sind ebenso einfach: Kommt was im R?ckspiegel n?her, fahr rechts auf den Seitenstreifen, kommt etwas durch die Frontscheibe n?her, gib Gas und ?berhol einfach. Irgendwann, gerade wenn das Hemd vom Angstschwei? wieder trocken ist, weil man sich an diese Kamikaze-Fahrenden gew?hnt und Spa? am Mitmachen gefunden hat, liegen da pl?tzlich 100km Autobahn vor einem, wie sie feiner, perfekter und neuer wohl nirgendwo zu finden ist. Entsprechend leicht f?llt einem dann auch der Griff nach der Kreditkarte f?r die Maut. Kurz nach Posen ist der Spa? dann auch leider wieder vorbei – ab da geht es erst richtig zur Sache!
Mittlerweile ist es d?mmrig, es regnet leicht, und es staut sich. Nur im Scheckentempo geht es voran, und man beginnt zu denken, ob ein Flug denn nicht doch die bessere Variante gewesen w?re – schei? doch auf das ?bergep?ck! Und ?berhaupt: Wer hat sich diesen Wahnsinn hier eigentlich einfallen lassen?! -Stop! Sowas sollte man nie tun, das verdirbt nur die Laune. Schlie?lich kommt man doch noch an, nachdem man sich 250 km lang mit der vierspurigen Nutzung einer f?r hiesige Verh?ltnisse doch recht schmalen Landstra?e und krass tiefen Spurrillen gequ?lt hat. Zweehundert Puls hatte ich stellenweise, mindestens! Weit gefehlt aber, wer da glaubt, in der polnischen Hauptstadt w?rden mehr Sherriffs f?r Ordnung sorgen. Nix da, nur ein durchgetretenes Gaspedal ist ein gutes Gaspedal. Und wir mittendrin.
Kentucky Fried Chicken & The Pizza Hut
Da sitzt man dann, nach 16 Stunden auf Achse, schwer ausgehungert und ein klein wenig ?berflutet mit Reizen in Warschau abends um 10 in einem kleinen Restaurant, wo sie gegen Geld Pizza verkaufen. Die Leuchtschrift malt „Pizza Hut“ in den feuchten Nachthimmel, auf der Geb?uder?ckseite ist es „KFC“. Nachdem die Pizza da angekommen ist, wo sie hingeh?rt, sehe ich auch wieder klar und entdecke Microsoft, Buderus, MercedesBenz, Makro, BP, H&M, Peugeot, Carrefour, Geant; ja sogar einen Real, Mediamarkt, Saturn, Aldi und Obi versprechen mir die Werbeschilder. Bin ich wirklich in Warschau?
Am n?chsten Tag dann die Antwort bei Licht: Ja, ich mu? im ehemaligen Ostblock sein, denn alles, was nachts leuchtet, ist neu, alles was nicht leuchtet, ist grausamste Sozi-Platte. Zwischendrin sprie?en die Glaspal?ste und Malls wie Pilze aus dem Boden. Man fragt sich blo?, ob die Kaufkraft noch folgen wird, denn momentan bekommt man zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Parkplatz vor der T?r und kann sich drinnen seine Kassiererin aussuchen.
Der Rasende Robert
Ich hatte schon drauf gehofft, nach der ganzen City-Racer Geschichte in Warschau einen Taxifahrer auf dem Weg zum Flughafen zu haben, der es mal so richtig kesseln l??t. So… weil er sich eben auskennt. Und was sehe ich, als ich vor die T?r trete? -Einen wei?en Peugeot 405! Gut, nun ist Warschau nicht Marseilles, und tieffliegen kann der olle Bock auch nicht mehr, aber who cares? -Der Pawel soll’s mal so richtig brennen lassen!
Im Wagen wies die Taxilizenz Pawel als Robert aus, und der Tachostand von 205000 km machte wenig Hoffnung auf ein imposantes Geschwindigkeitserlebnis durch die City. Kurz nach dem Losfahren attestierte ich v?llig defekte Sto?d?mpfer; also zumindest der, auf dem ich sa?, hatte nichts mehr mit seinem Prim?rnutzen zu tun. Robert schien um diese und zig andere Unzul?nglichkeiten an seinem Fahrzeug aber zu wissen, denn der Gleichmut, mit dem er immer und immer wieder die absolut desolate weil chronisch rutschende Kupplung im Stop-and-go bediente, lie? auf nichts anderes schlie?en. Robert hatte auch Augen f?r vorbeilaufende, junge Damen -kein schlechtes Wort an dieser Stelle ?ber seinen Geschmack, mein lieber Scholli!- allerdings h?tte uns das beinahe einen Unfall eingebracht, den er gerade noch so verhindert hat: Ich hatte es schon knallen h?ren!
Als wir dann endlich mal freie Bahn mit Marzipan hatten, da hat er dann auch mal ein klein wenig TaxiTaxi gespielt, so mit 120 ?ber die Zubringer, mit 90 in eine 30er Baustelle rein, schwungvoll abbiegen mit 70, und dr?ngeln wie ein Gro?er. Irgendwas piepte da in diesem Taxi schon die ganze Fahrt ?ber, und ich dachte noch, es sei die Funkanlage. Als Robert da gerade ganz fluffig volles Rohr die anderen Autos am Vers?gen war, entdeckte ich die Herkunft des Piepen: Die Tankuhr. Ich sage Ihnen, der Tank was sowas von leer, aber sowas von, da h?tte ich schon l?ngst mit dem Schwitzen begonnen. Robert war ruhig und gab noch etwas mehr Gummi, schlie?lich sah der Kapitalist auf der R?ckbank so aus, als h?tte er es eilig.
Aber Ende gut, alles gut: Ich bin wieder wohlbehalten nach nur anderthalb Stunden Flug gelandet. Und ich mu? ganz ehrlich mal sagen, diesen Flug hab ich mir mir der Autofahrt auf dem Hinweg auch wirklich verdient. Sollte man viel ?fter so machen, da lernt man solche Sachen wieder richtig sch?tzen.
Es mag kein Geheimnis sein, da? ich Bahnfahren grausam finde. Zumindest im Nahverkehr hat diese traditionelle Form der ?ffentlichen Bef?rderung durch Versp?tungen und ?berf?llte Z?ge seinen Charme verloren. Wenn ich doch einmal Bahn fahre, dann geschieht das nicht aus Umweltbewu?tsein, sondern hat immer seinen guten Grund.
So wie auch heute, Krefeld – Bonn. Umsteigen in K?ln in eine versp?tete, viel zu kleine RegionalBahn, in der ich auch noch die ganze Strecke stehen mu?te. Links ein versagtes Deo, direkt vor mir zehn Kilo Schuppen auf schwarzem, speckigen Kragen, irgendwo h?lt jemand nichts vom Rauchverbot, und von hinten rechts kommt mir Hungermagen mit Kaffee-Kippe ?ber die Schulter gekrochen.
Und wann immer man denkt, es kann gar nicht mehr schlimmer kommen, hat der Rheinl?nder noch was in Petto!
Ein beim Einsteigen schon recht desolat wirkender Anh?nger des 1. FC Podolski in auffallender Vereinstracht suchte sich zielstrebig ein Pl?tzchen zum Sitzen und nickte kurz nach K?ln Hauptbahnhof seelig weg. Betrunkene Fu?ballfans sind mir pers?nlich ja am liebsten, wenn sie schlafen. Nach kaum 10 Minuten Fahrt in diesem ohnehin brutal ?berf?llten Zug wachte der Kerl dann auf, um sich aus voller Brust nach allen Seiten gro?z?gig zu ?bergeben. Nein, ich sollte besser „er kotzte alles voll“ sagen, denn das Bild, das dieser Mensch da bot, war absolut unterirdisch. Klar, da? das auch die Aufmerksamkeit meiner Mitreisenden erregte, die ihn erst kr?ftig anfeuerten, nur um ihn dann f?r die Sauerei zu beschimpfen und ihn mit Klopapier dekorierten. Die beiden jungen Polizeisch?lerinnen vor mir mu?ten gl?cklicherweise an der n?chsten Haltestelle raus, sonst h?tte ich wohl eine vollgekotzte Jacke gehabt. Die eine war schon ganz gr?n im Gesicht. In solchen Momenten bin ich irre froh, durch die Strapazen des Zivildienstes meinen Brechreiz erheblich gesenkt zu haben. Und auch ich gebe zu, da? der Zivildienst-Bonus irgendwann aufgebraucht war und ich daher froh war, das ganze nicht zwingend mit ansehen zu m?ssen, direkt unter der L?ftung zu stehen, und auf den Ohren die neue Apoptygma Berzerk gehabt zu haben, denn so ?bert?nte dies wenigstens das Gepl?tscher des Fu?ballfans. (?brigens, an dieser Stelle sei schnell erw?hnt, da? das Album extrem gew?hnungsbed?rftig ist, aber die Coverversion von „Cambodia“ definitiv ?berzeugt und hundert pro besser ist als das Original von Kim Wilde, die ja darin eigentlich nie den Ton getroffen hat.)
Bei unserem Aktionsk?nstler scheint aber nicht nur das letzte Bier, sondern eher die letzten 20 Bier schlecht gewesen zu sein, denn auf einmal meldete das olfaktorische Register noch einen zweiten Geruch, den diese Kreatur, die wenig an Zivilisation erinnerte, aus der anderen K?rper?ffnung absonderte.
Es lag sicher nicht nur an ihm, da? sich der Zug immer weiter entleerte, und so der Kreis derer, die das Schauspiel unfreiwillig miterleben mu?ten, kleiner wurde. Irgendwann grunzte der Kerl noch was von „Godesberg, ich mu? nach Godesberg“, und ich ?berlegte echt, ob ich nicht in Bonn aussteige und die U-Bahn nachhause nehmen soll. Unertr?glich war der Gestank am Werden, und so mit der Zeit machte mir der Kollege Angst. Sp?testens, als er nochmal Br?ckchen hustete und der P?bel wieder was zum Gaffen hatte, und dann aus der Stille nach den pl?tschernden Lauten seine verklebten Stimmb?nder was von „Arzt… ich brauche einen Arzt… w?hlt denn niemand 112″ grunzten und sich die K?pfe pl?tzlich wegdrehten, hatte ich ein akutes Gef?hl von Alleinsein mit einer Situation, die mir alles andere als geheuer war.
Von den anderen Herrschaften machte niemand Anstalten, also fa?te ich mir ein Herz und dr?ckte den Knopf der SOS-Sprechanlage. Beim zweiten Dr?cken bekam ich auch prompt eine Audienz beim Zugf?hrer und orderte einen Krankenwagen, der sich um unsere beinahe-Alkoholleiche k?mmern sollte. Was so toll an der Auslegware in dem Abteil gewesen ist, da? da alle, die ich danach ansehen wollte, spontan hinschauten, ist mir schleierhaft.
Vielleicht war es ja eine Fehlentscheidung, ?bertrieben, nicht n?tig, was wei? ich. Wenn aber vor meinen Augen einer liegt, der nicht mehr nach unten, sondern sich selbst den Hals vollkotzt, dann h?rt der Spa? auf. Es kann doch nicht im Ernst sein, da? ich der einzige in diesem ganzen Zug war, der da ein extrem ungutes Gef?hl bei hatte, einen so zugerichteten Mitmenschen einfach seinem Schicksal zu ?berlassen! Was laufen da drau?en blo? f?r Leute rum? -Man mu? schon Angst haben, da? man geholfen bekommt, wenn einem selbst mal was fehlen sollte…
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erz?hlen. Genau, er kann, mu? aber nicht. Ich will hier niemanden mit einem truely half-assed Bericht von meiner v?llig unbedeutsamen Reise nach Boston langweilen, sondern nur eben ein paar kleine Anekdoten runtertippen, die ich mir in den Staaten aufgeschrieben habe und mangels PC und Internet nicht vor Ort schon in die Welt br?llen konnte.
Endzeit
Wer sich je gefragt hat, woher Filmemacher und Autoren ihre Endzeitszenarien haben, der kann noch keinen Bustransfer zwischen den Terminals auf London Heathrow mitgemacht haben! Ich glaube wirklich, da? ich noch an keinem Ort gewesen bin, der lebensfeindlicher war als das Wirrwar der Cargotunnel und Gep?ckkatakomben. Eine sofortige Depression st?lpt sich ?ber einen, wenn man im Bus zwischen verschwitzten Achselh?hlen ihrer schweigenden Besitzer durch die get?nten und mit Millionen von Fingerabdr?cken verzierten Scheiben nach drau?en sieht, und die Augen nicht von dieser schier unglaublichen Menge in Beton gegossenen Zivilisationswahnsinns lassen k?nnen und gleichsam fasziniert wie angewidert daran h?ngenbleiben.
Wie ein Ameisenhaufen offenbart sich sich das ganze Ausma? der Leistung eines Flughafenbetriebes erst unter Tage, wo Arbeiter, die wohl selten das Sonnenlicht zu sehen bekommen, emsig der T?tigkeit nachgehen, von der wir nichts mitbekommen, au?er vielleicht, unser Gep?ck kommt mal nicht richtig an. Dann ist es bei Collin und Yogesh, die in den schmalen Zufahrten ihre Kofferwagen erst rangiert und dann kollidiert haben, beim Wiederbeladen mit vereinten Kr?ften vielleicht auf dem falschen Wagen wieder auf die Reise gegangen und sammelt Meilen, die keinem Vielfliegerkonto jemals gutgeschrieben werden k?nnen.
The American way
Je ?lter man wird, desto mehr Flunkereien der Eltern aus der Kindheit entlarvt man pl?tzlich als solche. Da? ich daf?r aber erst nach Boston, respektive Amerika, fahren mu?, h?tte ich wahrlich nicht gedacht.
„Wenn du deinen Teller nicht leeri?t, gibt es morgen schlechtes Wetter!“ (Als Kind glaubst du sowas!) -Nun, das kann eigentlich nur in Europa gelten, nicht jedoch in den Staaten. Bei den Portionen? -Keine Chance. Selbst Vielfra?e wie ich kommen da in die Verlegenheit, anderen den n?chsten Tag quasi vorsetzlich zu versauen. Aber es geht einfach nicht, was die dort auf die Teller packen! Egal ob in einem Lunchroom oder einem Diner, selbst beim Thail?nder ist es zuviel. Einerseits wundert es da nicht, da? so viele Amis so brutal fett sind (es ist echt so, ich h?tte ein ganzes GB Fotos von fetten Leuten mitbringen k?nnen!). Mich wundert vor allem, warum da die Kundschaft nicht meutert und sagt „hey, packt hier bitte eine Menge Essen auf meinen Teller, die ich essen kann und berechnet das auch so“. Anstelle vergeht einem beim Lesen der Karte schon meist der Appetit, wenn man die Preise sieht, und steht dann der Teller auf dem Tisch nervt die Bedienung ungelogen alle paar Minuten, ob es schmeckt, ob ich noch Durst habe (wie denn bittesch?n, wenn ich einen 10 Liter Eimer Cola hingestellt bekomme??), ob „you guys ok“ sind, uns schlie?lich, ob sie uns nochwas bringen kann, also ob wir „set“ sind. Verneint man diese Frage oder ist irgendwie indifferent, sagt also sowas wie ‚sp?ter vielleicht‘, trabt sie weg und bringt stattdessen die Rechnung. Klarer Fall von „no tip“. Ist gemein, ich wei?, aber genug ist genug.
?berhaupt sind die Amis echt ma?los. Jeder Honk f?hrt da mindestens 6 Zylinder, besser 8, und wenn es nur 4 sind, steht Turbo oder Twin Turbo hinten drauf. Klar, wenn der Sprit so billig ist… Aber dann sollen sie wenigstens auch damit parken k?nnen. K?nnen sie nicht, also gibt es riesige Parkpl?tze. -Das ist seltsame Logik.
Geht noch weiter: Weil sie ihre Cola nicht k?hlen, mu? ein Kilo Eis ins Glas. Weil Eis aber die subversive Eigenschaft hat, zu schmelzen und die andere Fl?ssigkeit auf diesem Wege erheblich zu verd?nnen, tun sie mehr Zucker als hier in die braune Brause.
Ma?los, kein anderes Wort hatte ich ?fter auf der Zunge und wollte es allen dauernd ins Gesicht schreien. ?ber Klimaanlagen und Energieprobleme sage ich nur: Ich war froh, auf dem Weg zur Tagung im Anzug zu schwitzen, denn daf?r hab ich w?hrend der Vortr?ge nur ganz wenig frieren m?ssen…
Konventionen?
Am Morgen des zweiten Konferenztages begr??t uns der Vorsitzende mit den Worten „Good morning everybody! How nice: you all found your way back from the hookers!“
Der fliegende Holl?nder
Ich habe gerade in meinem World Traveller Plus Sitz platzgenommen, da frage ich mich auch schon, warum diese irre gut aussehende Bombshell-Flugbegleiterin mit so einem h??lichen, d?rren Honk, der eine unterirdische Brille und eine viel zu kurze Anzughose tr?gt, plaudert, als wollten die beiden jeden Moment die Besenkammer aufsuchen. Es gibt daruf nur eine Antwort: Das ist ihr Job!
F?nf Minuten sp?ter identifiziert sich der Honk als waschechter Holl?nder, dem der Sitzplatz neben mir geh?rt, und die Stewardess als in Wahrheit leider extrem schiefzahnige Britin. Was mich an meiner Konversation mit dem Holl?nder, die selbstverst?ndlich stattfand (schlie?lich ist es kein 40 Minuten Inlandsflug!), immernoch stolz macht, ist, da? ich ihm nicht wie sonst bei Holl?ndern ?blich, auf die Nase gebunden habe, da? ich in Maastricht studiert habe und darum auch gerne mit ihm auf Niederl?ndisch plaudern k?nnte. 7 Stunden habe ich diesen Mann neben mir ertragen, und das war echt nicht einfach. Nach dem Amsterdamer Boulevardblatt zappte er erst v?llig planlos durch die 16 Videokan?le, um dann beim Info-Programm h?ngen zu bleiben und in unlesbarer Schrift anfing, Notizen zu machen. Nach dem Essen und einigen erfolglosen Versuchen, mit mir einen philisophischen Plausch zu beginnen („Will we remove our limits in research and science ourselves or will this happen automatically over time?“ oder auch: „Why is it that women smile more often than men?“), packte er seinen Laptop aus und begann einen Brief, offensichtlich an seine Lebensgef?hrtin. Unterdessen hatte ich von ihm erfahren, da? er ein Senior Researcher in seiner Firma ist, die k?rzlich verkauft wurde, er deswegen dauernd nach Boston mu? und vieles andere mehr. Darunter auch das Detail, da? er ja nur in dieser Maschine sitze, weil bei seinem ersten Versuch, am gestrigen Tage Boston zu verlassen, das Fahrwerk der Northwest-Airlines Maschine beim Ausparken zusammengebrochen ist. (Ich habe die Story jetzt mal auf das Wesentliche reduziert, was ich mir auch von ihm gew?nscht h?tte…) Er begann also seinen Brief an seine Frau, den ich hier und da versehentlich mitlas. Wenn ein Mann einer Frau schreibt, und dann dauernd Zahlen tippt, handelt es sich entweder um eine Rechnung, eine Scheidung (was auch auf Rechnung hinausl?uft), oder aber um einen Wissenschaftler oder Control-Freak, der daran glaubt, der Gegen?ber findet bestimmte Sachverhalte genauso spannend wie man selbst. Unser vielfliegender Holl?nder schreibt ihr also von Neufundland, 12 km H?he, 900 km/h und der Tatsache, da? er sich gar nicht recht vorstellen kann, da? es drau?en Minus 55 Grad sind. Beinahe h?tte ich ihm noch zur Lekt?re des Bordmagazins geraten, dann h?tte er noch dabeischreiben k?nnen, da? eine 747-400 schlappe 15000 Liter Kerosin pro Stunde durchzieht. Stattdessen hat er lieber die Zeit beim Start gemessen, 1 Minute 5 Sekunden, und er trumpft vergleichend auf, da? eine kleine 737-200 nur 45 Sekunden bis zum Take-off beschleunigt. Diskussion zwecklos, er ist schlie?lich Vielflieger. Und Holl?nder.
Giovanni aus Hongkong
Nach der k?rzesten Nacht (minus 6 Stunden) und dem wenigsten Schlaf in einer Nacht (30 Minuten… netto) sa? ich schlie?lich in dem kleinen (wahrscheinlich ?hnlich schnellstartenden) Airbus 320 von London zur?ck nach K?ln neben Giovanni. Er hatte sich gleich um Kontakt bem?ht, kein ?berfl?ssiges Warten. Ich klemmte die Streichh?lzer zwischen die Lider und bem?hte mich um freundliche, nichtssagende Konversation. Er komme gerade aus Hongkong, mache in Textilien, und er habe dort Gesch?fte geschlossen und Bestellungen get?tigt. Stolz berichtet er, ?brigens Mitte/Ende 30, Typ schmieriger Sizilianer, in ungef?lschtem Armani und echter Uhr, mit katastrophalem Mundgeruch und ranzigem Gel in den Haaren, im Geldbeutel jedoch nur die besten Karten, von seiner Industrie und dem Gesch?ft in toto. Er habe ja schon selbst in Portugal und Rum?nien Fabriken gehabt, aber damit k?nne man ja schon viele Jahre nichts mehr verdienen. Darum China. Die arbeiteten da 12 Stunden am Tag, sechseinhalb Tage die Woche f?r 120 Euro im Monat, was wolle man schlie?lich mehr? Und nach China, was kommt dann? „Nix mehr, bleibt China“, meint Giovanni und ist m?chtig stolz darauf, mir Tips zu geben, wie man in China am besten die Bev?lkerung ausbeuten kann, denn „die wollen ja wenigstens noch arbeiten! F?r jeden Lohn machen die das! Von mir aus auch 200 Euro in 5 Jahren. Keine Gewerkschaft, keine Krankheiten, keine Lohnnebenkosten. -Am T-Shirt kann man das hinterher schlie?lich nicht sehen, verstehen sie?“