Noch 5einhalb Stunden sind es bis Miami, und offen gestanden m?chte man angesichts des durchaus als „w?rzig“ zu subsummierenden Geruches in der von meiner Lieblings-Airline betriebenen Boeing 747 am liebsten nur noch in einen komat?sen Schlaf fallen oder aber sich mehr von der edlen Brause oder dem vergorenen Traubensaft aus der Boardk?che holen. Kommt auf’s gleiche raus: Ausschalten oder zumindest Dimmen der Wahrnehmungsreize.
Eine geschlagene Stunde hat es gedauert, bis endlich jeder seinen Platz hatte. Etwas befremdlich ist das schon, denn meine Platznummer haben die von der Lufthansa mit beim Einchecken freundlicherweise gleich mit aufs Ticket gedruckt – die ahnten wohl, da? ich lieber am Schalter ?ber meinen Sitzplatz verhandle als an Board. Da wurde munter umdisponiert, als ginge es um Hotelzimmer oder das Erbteil. „Ja aber mein Mann sitzt jetzt da hinten“, „Ich habe einen Gangplatz gebucht!“, „Nein, ich stehe hier ?berhaupt nicht mehr auf!“, „Es zieht hier so“, „Haben Sie noch einen Notausgang?“ -und dazwischen die Herren und Damen in der Uniform mit dem Kranich, mit Engelsgeduld „Macht es Ihnen etwas aus, wenn…?“ Ja, offensichtlich macht es den meisten sehr wohl etwas aus. Da treffen die Kulturen aufeinander. Keine 10 min sitze ich in diesem Flieger und schon habe ich mindestens f?nf Sprachen geh?rt.
Da ist Rodriguez (ich habe nat?rlich keine Ahnung wie der Mann hei?t, er ist jedenfalls totsicher ein Hispanic). Der hat den iPod auf den Ohren und wohl f?r den langen Flug extra seine pers?nlichen Greatest Hits draufgepackt. Jedenfalls intoniert er v?llig unbeeindruckt von den anderen 100 Passagieren in unserem Kabinenabschnitt „ohhhh Mariaaaa, Mariaaaaa….“ – mu? ja ne ganz dolle sein, denn entweder hat er den Player auf Dauerwiederholung und jedes Lied handelt von Maria. Der spricht also Spanisch. Und Englisch, wie er seinem Sitznachbarn, der eigentlich nur versucht, seine Computerzeitung zu lesen, eindrucksvoll in kurzweiligen Plaudereien zu demonstrieren versucht. Er geizt dabei nicht mit K?rpersprache, schlie?lich ist man auf 10300m und mit nur 10cm Schwei?dr?senabstand quasi Familie.
Vorne sitzt eine asiatische Mutter mit asiatischen Kindern. Die schlafen, was es nicht besser macht, da? mir beim ?ffnen des Zeitungsfaches ?ber ihnen die ganze Wochenauslage frischer Hochglanzmagazine entgegenkommt und unsanft auf ihrer Famile niederprasselt. Ich entschuldige mich h?flich, schlie?lich ist es mir saupeinlich, da? gerade die GQ, das schwerste und am solidesten gebundene Magazin, ihrem J?ngsten mit der Bindekante auf den Kopf gefallen ist. Hilft nix, da mu? er durch, und ihren Schimpfanfall auf einer Sprache, von der ich sicher nichtmal geh?rt habe, kann daran auch nichts mehr ?ndern. Von wegen, Asiaten seien so tempered. Bei den Bambini h?rt es wohl auf. Italiener sitzen schr?g vor mir, haben Rastas respektive verfilzte Haare, sind unrasiert respektive ungewaschen und schlafen. Das „wie immer“ verkneife ich mir jetzt nicht, denn wann immer ich junge Italiener reisen sehe, sehen die genau so aus: verlottert, verzottelt und garantiert noch nicht unterm Wasser gewesen heute.
Vor mir sitzt ein Finne mit seiner Frau. Wir m?gen uns ab Sekunde eins schon nicht. Sowas gibts: Da steht man in der Security und hat nur einen Gedanken: Hoffentlich sitzt das Arschloch nicht neben mir! Tut er nicht, super, daf?r sitzt er vor mir. Und da kann er mich noch viel besser ?rgern. Hat wie ich sein Notebook offen und werkelt an einem Text, der sehr viele Jahreszalen enth?lt. Wie gesagt, ich halte ihn f?r einen Arsch, denn er stopft dauernd seine Decke und sein Kissen unter seinen Sitz, also zu meinen F??en. St?rt ihn gar nicht, findet er wohl normal. Gut, soll er sie haben, die Limburger! Er fliegt ?brigens mit permanent nach hinten geklapptem Sitz. Das sorgt daf?r, da? ich kaum aus meinem Sitz rauskomme, geschweigedenn meinen Text auf dem Bildschirm lesen kann, denn die Tastatur habe ich fast am Kinn. Also jetzt ?bertrieben gesprochen, aber so ?hnlich. Kann ich was daf?r, da? seine Frau 10 Jahre ?lter aussieht als er? Warum l??t er das an mir aus? Weil dieses Brett von Model-Italo-Spanierin mich beim Reinkommen angeschaut hat, w?hrend sie ihre Sitznummer gesucht hat? Immerhin war ich es nicht, der besagter Hammerfrau eine gef?hlte halbe Stunde auf den Arsch geschaut hat!
Ein Hammer ist auch das Paar neben mir. Warum hab ich immer so ein Pech? Letztes Mal das Ehepaar, das mich mit Keksen gef?ttert hat und ?ber die ich aus Faulheit vergessen habe zu schreiben. Er Marke Erdkunde-Lehrer, in Sandalen mit Socken, stilsicher kombiniert mit Trekking-Hose und Angler-Weste, dazu eine historische No-Name Japan-Kamera, wahrscheinlich ein Vorkriegsmodell, seit anderthalb Generationen in Famlienbesitz, verpackt und zuhause in einer soliden Ledertasche, an der ein ebenso solides Taschen-Stativ baumelt. Die Kamera wird sogar vor meinen Augen eingesetzt, mit einer 50mm Standard-Optik ans beschlagene und gefrostete Flugzeugfenster gehalten, um Impressionen von New York bei Nacht auf Film zu bannen. Blende richtig eingestellt? -Dann los, klick, noch eins zur Sicherheit, klick , „brauch man eigentlich ja nicht, die Kamera macht heute noch immer Spitzenbilder, auch ohne digital!“ unkt er mich an, als ich gerade mein Handgep?ck sortiere und er meine 350D ersp?ht. ‚Ja nee, is klar, und zwei Fotos m?ssen auch echt reichen, dann ist nach 3 Wochen New York endlich der 36er Film voll. Komm, nimm lieber noch ein Pl?tzchen von deiner Mutti, die wird sonst noch fetter.‘
Aber zur?ck zu meinen aktuellen Nachbarn. Unschlagbar, was mir da wieder das Schicksal (oder die Lufthansa aus reiner Bosheit?) hingepflanzt hat. Beide um die 70 und aus Ru?land. Herzlichen Gl?ckwunsch, das ist bei allem, was hier aus freiem Willen an Board gekommen ist, echt der Hauptgewinn. Kein Wort Deutsch sprechen die beiden, ganz zu schweigen von Englisch. Das stecke ich der total perplexen Stewardess, als die n?mlich ihr Curry-H?hnchen oder die Rindsroulade nicht an die beiden loswurde. Ich vermittle, weil ich ja nunmal so ein lieber Kerl mit Helferkomplex bin und hoffe, da? ihnen die Rouladen genauso gut geschmeckt haben wie mir. Zwischen Donauwewllen und Einreiseformular nimmt die Dame, deren Figur am besten mit „breit wie hoch“ umschrieben werden kann, offensiv Kontakt auf. Nach einer Weile des Aufmicheinredens auf Russisch verstehe ich sie sogar – soweit man das nach einem Lufthansa Gin Tonic und 5 Rotwein sagen kann. Sie fragt mich, ob ich Kinder habe, verheiratet bin, beklagt den Sitzabstand und das Fernsehprogramm (welches sie aus Versehen heute nicht auf Russisch ausstrahlen…), und kommt schlie?lich zur Sache und fragt, ob ich Deutscher sei. Ich bejahe auf Gutgl?ck („Da“) und die beiden freuen sich wie Pl?tzchen. Entweder haben sie mich gefragt, ob ich sie in Miami durch die Stadt f?hre oder -und das ist beinahe wahrscheinlicher- freuen sie sich wirklich. Als Deutscher erh?lt man glaube ich eher selten solche Reaktionen von Russen der Kriegsgenetation. Und w?hrend ich mir schon deren Kopf zerbreche, wie diese beiden wohl ?berhaupt die Einreise in den Sonnenstaat schaffen werden, r?cken sie mit der Sprache raus, l?ften endlich das Geheimnis: Sie sind auch Deutsche, eigentlich jedenfalls, und ihre Eltern haben Deutsch in der Schule gelernt, aber sie nicht mehr. -All dies bilde ich mir zumindest ein. Es ist durchaus m?glich, da? der Rotwein sein ?briges dazu getan hat, aber ich habe es bewu?t vermieden, meine aus 3 W?rtern bestehende Polnisch-Kenntnisse an den beiden auszuprobieren („is ja fast wie russisch!“). Gleichzeitig setze ich f?r alle Eventualit?ten des R?ckflugs auf die Todo-Liste, mich wieder daran zu erinnern, was „ich spreche kein Polnisch“ hei?t. Wo die Oper ist, brauche ich jedenfalls sicher niemanden fragen. Wie konnte ich nur so derma?en unvorbereitet auf Reisen gehen?!
Es ist inzwischen Herbst geworden, und ich alter Kämpfer kämpfe immernoch mit meinem Knie, und das jahreszeitgemäß hauptsächlich im Fitnessstudio. Ja richtig: Eisenreis(s)en in der Muckibude, zwischen all den anderen hirn- und freundeskreislosen Individualisten (so nennt man ja heute Menschen, die keine sozialen Bindungen hinbekommen) gemeinsam verschwitzte Luft einatmen und aus Pudding Muskeln machen. Hat damals zumindest der Arni schon gesagt, ich glaube im Kindergartencop. Spielt auch weiter keine Rolle, denn man muß nicht unbedingt mit Trainingserfolg beseelt werden, um einen guten Abend da zu haben, manchmal reicht auch einfach schon der Anblick der anderen Leute. So wie im Sommer in der Fußgängerzone: Nix gekauft, aber einen Haiden-Spaß vom Zugucken gehabt. Keine Angst, ich zieh mir den Schuh des immer-lüsternden, gemeinen Zynikers gerne für meine Leser an, die dann umgekehrt in bestem Second-Hand-Voyeurismus meine Erlebnisse nachfühlen können.
Im Herbst rennen sie wieder alle ins Studio, gilt es doch, noch vor Silvester den guten Vorsatz vom letzten Silvester einzulösen: ‚Nächstes Jahr mach ich Sport‘. Die Resultate dieser guten Vorsätze kann man im Sommer in jedem x-beliebigen Freibad oder Badesee, am Strand oder auch in den Fußgängerzonen begutachten. Kennt jeder, braucht man nicht weiter drauf eingehen. Da wird geschwabbelt was die Epidermis hergibt. Im Herbst jedenfalls wird dann all das in enge, eigens für diesen Zweck nagelneu angeschaffte, farblich meist unerträgliche Stretch-Sportdresse gezwengt. Und dann Atacke, ran an den Speck – im wahrsten Sinne des Wortes.
Ein Highlight, nein, besser Fashion-Victim ist ein Mitt-Fünfziger mit klassischer Birnenfigur. Also oben extrem schmal, dann bis zur Hüfte stetig an Umfang zunehmend, der Übergang Love-Handles/Hintern bildet den Äquator, und darunter (er selbst sieht sich da nicht mehr) kommt wieder nix mehr. Der Typ trägt eine gelbe Trainingshose und kombiniert stilsicher ein ebenso gelbes T-Shirt. Er sieht darin aus wie Willi von Biene Maja, nur ohne Streifen.
Daß Schwitzen elementarer Bestandteil des Konzepts „Sport“ ist, wird leider selten bedacht. So zerfließen bei den meisten Anfängerinnen buchtstäblich jegliche Bestrebungen, gleichzeitig dabei eine gute Figur durch optimales Styling zu machen: Makeup und Haarfrisur melden sich bereits beim ersten Trainingszyklus gnadenlos ab und sind darum als komplett überflüssig anzusehen. In engem Zusammenhang dazu steht die Nicht-Verwendung statisch höher belastbarer Unterwäsche, wie sie der einen oder anderen Dame etwa beim BodyAttack (neudeutsch für Schattenboxen), Aerobic-Gehüpfe oder schlichtweg auf dem Laufband die verfrühte Kapitulation des Bindegewebes im Brustbereich ersparen würde. Ich hab neulich gelesen, daß Brüste 17 cm hoch- und runterhüpfen können. Das ist eine Amplitude von 34cm im Extremfall – und diese Sorte Extremfälle tummeln sich dieser Tage vermehrt in den Kursen der Fitnessstudios. Komisch, ich muß seit Heinz Strunk’s „Fleisch ist mein Gemüse“ immer an Busen-Maike („Sie ist halb Mensch, halb Busen“) denken, wenn ich sowas sehe. -Übrigens, mir fällt beim Betrachten des Wortes „Fitnessstudios“ auf, daß ich es für falsch geschrieben erachte, so auf den ersten Blick. Ist das was Ähnliches, wie wenn die Leute bei „Tischlampe“ immer sofort erstmal „Schlampe“ lesen?
In der Umkleide habe ich irgendwie immer den Spint neben Luigi. (Der Name wurde bewußt von der Redaktion geändert, weil ich seinen Namen gar nicht kenne.) Luigi ist ein waschechter Italiener, das kann ich mit Bestimmtheit von seinem unvergleichlichen Akzent ableiten. Und wäre da nicht der Akzent, so ginge bestimmt der Tricolore-Aufkleber auf seinem rosso-roten Alfa Romeo 155 als eindeutiges Merkmal durch. Oder eben seine imposante Körperbehaarung, an der sich sicher bereits die vierte Generation von Remington Langhaarschneidern buchstäblich die Zähne ausbeißt. Er ist ein lieber Kerl, isse immere feundelisch su mire (auch da muß ich immer an den Antonio Marcipane aus „Maria, ihm schmeckts nicht“ denken!). Aber Luigi erinnert mich extrem an einen dieser römischen Offiziere aus Asterix. Wißt Ihr noch? -So mit Streichholz-Beinchen und einem gewaltigen, V-förmigen Oberkörper, der den darauf sitzenden, extrem runden Kopf einfach nur komplett unterdimensioniert erscheinen läßt? DAS ist Luigi! Toller Mann, würde er sich nicht, bevor er sich selbst auf die sicher schon erwartungsvoll sabbernde Frauenwelt losläßt, noch einmal so richtig von oben bis unten (ja! richtig gelesen, is kein Scherz, auch wenn Männer untereinander über Umkleide-Erlebnisse den Mantel des Schweigens ausbreiten…) mit Axe einräuchern würde. Ja Luigi, Sie haben alle Düfte verbessert, Bom Chicka Wah Wah, viel hilft sicher viel!
Gestern habe ich zum ersten Mal meine rechte Kniescheibe unter dem immernoch v?llig zugeschwollenen Knie wiederentdeckt. Ob das daran liegt, da? die Sache allm?hlich besser wird oder nur mein eigenm?chtiges Weglassen des extremly sexy Thrombose-Stockings Wirkung zeigt, ist mir dabei fast egal. Der ganze Klump sieht echt arg krank aus: Oberschenkelumfang jeden Tag weniger, extremes Muskelschrumpfen sozusagen, Unterschenkel genauso, und dazwischen in der Mitte, wo andere ein wohldefiniertes Knie ihr eigen nennen k?nnen, warte ich mit einem unf?rmig geschwollenem Klump in Form einer Dickwurz auf. Nur gut, da? der Verband endlich ab ist und ich mir das orange-kontrastierte Antiseptikum der OP vom gr?n und blau schimmernden Darunter mittlerweile abwaschen konnte.
Montag kommen dann endlich die F?den raus, dann darf ich auch wieder ohne M?llsack mit Handtuch drunter duschen. Obwohl: Meine morgendliche Routine dauerte anfangs noch eine Stunde, mittlerweile bin ich auf schmale 30 Minuten runter. Routine und ?bung ist eben doch alles.
Das gilt auch f?r das sogenannte Gehen an Kr?cken. Was das Bein an Muskulatur abgibt, gewinnt der Oberk?rper wenigstens dazu. Naja, oder bleibt zumindest im Training. An meinen Schultern hab ich zwei neue Muskeln entdeckt, ich bin mal gespannt, ob die in den n?chsten Wochen noch wachsen, w?hrend ich St?ck f?r St?ck bei der Belastung die Schmerzgrenze verschiebe.
So schufte ich mich zu meinem Doc, der dankenswerter Weise auf der anderen Stra?enseite praktiziert. „Na, Sie K?mpfer,“ begr??t er mich, „wie isses Ihnen?“ Ich klage mein Leid, aber der Internist in ihm will nur mein Blut. Wenigstens die Praxishilfe ist interessiert, wie sich so ein Mist anf?hlt und wie der Heilungsproze? geht.
Daheim packe ich den Knochensack wieder in die Horizontale und beginne mit den ?bungen, die mich wieder mobil machen sollen. 70 mal das Sprunggelenk in alle Richtungen, Wadenmuskulatur so lange anspannen, bis es weh tut, Patellamobilisierung durch Anspannen des Quadrizeps – nat?rlich auch so lange, bis es wehtut. Also doch, richtiges Wort: K?mpfer.
Der beste Tag bisher: Über Nacht hat es 20-40cm Neuschnee gegeben, Powder auf fast allen Pisten, der Himmel reißt noch während des Frühstücks auf und die Sonne küsst das frisch eingepuderte Sölden. Zum ersten Mal seit wir hier sind, hat es Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, auf 3000m messen die Sensoren -12 Grad bei 50km/h Wind. Das dürften gefühlte -20 sein, und was das ohne entsprechende Schutzmaßnahmen bedeuten kann, das habe ich die Tage schon an meinen Ohren getestet: Nach weiß kommt irgendwann wohl schwarz, wenn man keine netten Mitmenschen um sich hat, die einen auf die drohende Erfrierung hinweisen. Nun denn, auf auf den Hang hinauf!
Oben dann ein Traumtag, Sonne, blauer Himmel, Powder. Schnelles Mittagessen, keine Zeit verlieren, bevor es sich das Wetter anders überlegt. Schließlich wollen wir es für so einen Traumtag gut sein lassen, wedeln über eine von Söldens zahlreichen komplett zerfurchten Pisten gen Talabfahrt. Schwer ist es, bei derart desolaten Pisten den Parallelschwung zu pflegen, nach einigen Metern heißt das Motto tageszeitentsprechend nur noch „runterkommen“. Fluchend geht es talwärts, die Ski brechen immerwieder aus der idealtypischen Formation aus, die Knie schlucken plötzlich auftauchende Buckel wie Stoßdämpfer. Dann ein Steilstück, ich quäle mich über die ersten Meter, dann eine Eisplatte, keine kleine. Die Kanten schneiden das Eis, suchen Halt, den sie an dieser Stelle nicht bekommen können, zu steil ist es. Dann das Gewicht minimal falsch verlagerrt, der Bergski ist schneller als der Talski, rutscht auf ihn, blockiert ihn, verkeilt ihn, ich falle aus dem letzen Schwung nach hinten, aber die Ski stehen fest auf der Piste, sodass ich den vollen Drehmoment auf mein rechtes Knie ausübe. Noch im Fallen schreie ich aus Reflex so, dass selbst die letzte Gams es mitbekommen musste, die Schmerzen erreichen das Gehirn direkt und ohne Umwege. Ich versuche nur noch, irgendwie zum Liegen zu kommen und meine Ski zu sortieren, aber es ist vergeblich, das Knie sendet nur noch Schmerz und nimmt keinen Befehl mehr an. Jan ist als erster da, macht mir die Bindung auf. Warum ist das Scheißteil heute nicht aufgegangen? Nachdem die Beine wieder nebeneinander liegen, die Fußspitzen beide nach oben zeigen, ist für einen kleinen Moment wieder alles in Ordnung. Wird schon wieder gehen. Ich schnall die Ski wieder an, höllische Schmerzen im Knie, egal, ich bin in den letzten 23 Jahren noch jeden Berg in jeder Situation runtergekommen. Keine Zeit für Memmen! Genau 2 Schwünge bekomme ich hin, beim Dritten wird mir wieder schwarz vor Augen, der Schmerz lässt mein Knie einknicken wie eine aufgeweichte Grissini. Mein Zimmernachbar im Krankenhaus wird dies später mit „so you were playing Superman, huh?“ kommentieren. 10 min später klammere ich mich auf einem Skidoo fest, der Macker heizt wie blöde zur Gondelstation, und alles, was ich denken kann ist, dass mich die zwei Kilo Skischuh bei jedem Buckel und jeder Bodenwelle, die der Skidoo unsanft an seine Fahrer weitergibt, noch das Bein kosten werden, so sehr habe ich Mühe, die rechte untere Extremität auf der Fußraste zu halten. Ab da geht alles routiniert: Auf der Liege bekomme ich eine Sonderfahrt in der Gondel, vorbei an 1000 wartenden Skifahrern, unten wartet bereits die Rettung. Das zumindest sagt mir Johann, der nette Mann von der Bergrettung, dessen Lesebrille zwar ihren Namen nicht verdient hat, der sich aber alle Mühe gibt, mir Mut zu machen. Im Bagatellisieren ist er aber kein Held, denn: „Die meisten, die so g’fallen sin wie du, siehgst zwoa Doag speda scho wieder mit’n Krückchen drunten im Ort.“ Danke Johann, DAS war die Info, die mir noch fehlte! Es folgt Röntgen und eine MRT in einer schnieken, brandneuen Privatklinik. Keine Sorge, zahlt alles die Auslandskranken Plus. Und so lasse ich mich rundrum durchchecken. Die MRT ist der Höhepunkt des Abends: Die nette Schwester bietet mir zwar Kopfhörer mit Musik an, weil das Teil „scho arg laut is“, doch Bono und U2 schaffen es nicht wirklich, das technische Meisterwerk von Siemens Medical zu überlagern. Warum nur heißt diese Röhre „Harmony“? Während der zwanzig Minuten, in der ich in diesem Teil liege und mein wummerndes Knie nicht bewegen darf, stampft ein wundervoll gleichmäßiger Rhythmus unter mir, während dieses Teil die unterschiedlichsten Fehlgeräusche von sich gibt. Früher nannten wir sowas Noise und hörten das in der Disco. Auch diese 20min gingen rum, ich danke der Schwester für U2 auf den Ohren – hätte ja auch schlimmer kommen können. Der Befund hingegen konnte dann kaum schlimmer ausfallen: vorderes Kreuzband gerissen, inneres Seitenband abgerissen, Miniskus durch Quetschung verletzt.
Am nächsten Tag wird gleich operiert, ich finde mich im Imster Outlet dieser Superklinik pünktlich ein. Alles geht ruckzuck, routiniert möchte man denken: Hemdchen an, Trombose-Stockings, Laberlaber mit der Anästhesistin, die Wahl fällt auf Vollnarkose. „So, jetzt wird Ihnen etwas schwindelig“… 21… 22… 23… „N?…. naja, vielleicht doch….. sie verlieren mich gleich“ und ich bin weg. Als ich aufwache, ist alles vorbei, 24 gefühlte Kilo Verband dekorieren mein Knie. Der Full-Service Approach des Hauses schließt eine post-narkotische Flädle-Suppe und Skiwasser galore ein. Noch nie hat eine Suppe so gut geschmeckt! Sie packen mich auf ein Zimmer, reichen mir Mineralwasser, die Fernbedienung, eine Speisekarte und einen Laptop mit WLAN. Privatpatient sein, was kann es schöneres geben? [To-Do für daheim: Endlich Einkommensgrenze für Privatversicherung überschreiten!] Ich entscheide mich für einen Steak-Sandwich nach Schluchti-Art, also mit Pfifferlingen, Speck und Zwiebeln. Eigentlich hege ich keine allzu hohen Erwartungen, dass das Essen gut sein könnte, und wenn es tausendmal vom Restaurant von gegenüber und nicht aus einer ollen Kantine kommt. Aber ich liege mal wieder falsch: Zartestes Beef, perfekt medium, und rubbeldiekatz ist der ganze Teller verschwunden. Über Nacht fressen mich die aufkommende Schmerzen, reißen mich aus dem Schlaf. Und das soll je wieder gut werden? Auch wenn die Behandlung extrem deluxe ist, wird das noch ein gehöriges Stück Arbeit werden, soviel ist sicher.
Die Nachtschwester hatte zwar mein Schmerzmittel für die Nacht vergessen, mich aber voher noch über den Umfang des Frühstücks aufzuklären. Von allem etwas, ein bunter Strauß voller guter Laune für einen guten Start in den ersten postoperativen Tag.
Wie ich später erfahre, kostet die OP schlappe 6500 Euretten, dazu Untersuchungen, Bilder, MRT – und nicht das deluxe Essen samt edler Unterkunft und Topservice zu vergessen. Und das alles für 8 Euro Jahresgebühr…
Halb 6 auf der Autobahn, gewohntes Bild auf der A61: Ein gelbes Nummernschild nach dem anderen. Alle wollen Sie dahin, wo wir bis eben auch noch hinwollten. Resentiments beiseite, ist ja Urlaub, Holl?nder sind eben auch nur Menschen. Zwar solche, die mit ihren Fahrzeugen, meist v?llig ?berladen und bis an den Rand des Zumutbaren nicht mit Winterausr?stung ausgestattet, aber gut. Doch irgendwann is genug, is einfach mal Schlu? mit der ewigen V?lkerverst?ndigung, dem gelebten Europa ohne Grenzen, denn meine Br?der aus der Nachbarschaft beginnen mir bereits nach km 7 mit ihrem Fahrstil geh?rig auf den Zeiger zu gehen. Xenon im R?ckspiegel, ich mache dem Tiefflieger mit Bonner Kennzeichen schnell mal Platz, aber ein holl?ndischer Familienpappa hat wohl den Ernst der Lage nicht sofort begriffen und setzt zum ?berholen eines Landsmannes an. Der Nachthimmel wird kurz glockenell erleuchtet, zweimal kurz hintereinander blitzt das Xenon-Fernlicht des BMW auf, der linke Blinker wird gesetzt und der Lenker des Familenkombis hat noch eben gef?hlte 2ms Zeit, seine Sippe in Sicherheit zu bringen. Also gut, der Krieg ist er?ffnet, ich setze mich wieder auf die linke Spur und schiebe alles mit gelbem Nummernschild von der Bahn, was mir vor den nicht vorhandenen Bullf?nger kriecht. Deutschland – Holland, und zwar in der dritten Halbzeit wird hier nachgespielt.
Zur Blauen Stunde lasse ich das Hunsr?ck hinter mir, im Radio spielt SWR3 just dazu Summer Wine. G?nsehaut und kein Zweifel, on the Road again. Fast allein auf der Autobahn, die holl?ndische Prozession habe ich schon vor km hinter mir gelassen.
Stunden sp?ter und reichlich Nerven ?rmer, f?hren in der N?he von F?ssen auf einmal fast alle Wege zu den „K?nigsschl?ssern“, den Lust- und Romantikbuden von K?nig Ludwig von Bayern. Neuschwanstein, pl?tzlich steht es vor mir, nat?rlich im vollen Gegenlicht, soda? kein Foto m?glich ist. Man braucht dann nur den ganzen Japanern zu folgen. Oder noch besser denjenigen, die offenbar noch nicht mitbekommen haben, da? ein „P1″ am Ortsrand immer den am weitesten zur Sehensw?rdigkeit entfernten Parkplatz bezeichnet, worauf in aller Regel noch P2 bis P5 folgen. In Hohenschwangau trifft man sie dann alle wieder. Japanische Japaner mit japanischen Kameras fotografieren wie die Weltmeister jeden Stein, bannen so die gesamte Bayerische Kitscharchitektur auf Film Chip. Wenn das Fotografieren Geb?ude abnutzen k?nnte, st?nde da kein Stein mehr auf dem anderen. Ich hab darum auf meinen tourischtischen Obulus verzichtet und nur Schlo? Hochenschwangau abgelichtet, es sah einfach sch?ner aus als das Postkartenmotiv auf der anderen Seite des Berges.
Ein paar Kilometer weiter hat das Elend wieder sein bekanntes Gesicht. Im Stau sind alle gleich. Erstmal, zumindest. Wer sich da abheben will, der kann sich 1,50m neben der Stra?e ins kn?chelhohe Geb?sch schlagen und den hellen Holzzaun nach Herzenslust kreativ bepinkeln. Sieht ja schlie?lich keiner. Kennzeichencheck? -Klar, gelb-schwarz.
Pa?stra?en fahren ist nicht einfach, und in L?ndern, wo es keine Erhebungen ?ber 120m gibt, mu? man es auch nicht gewohnt sein, die Bremse gegen die Hangabtriebskraft einsetzen zu k?nnen. F?hrt man allerdings gern nach ?sterreich zum Skifahren, kann es Sinn machen, sich die einfachen Regeln des Fahrens im Gebirge zu eigen zu machen. Wir erinnern uns: M?glichst gleichm??ig ohne viel zu schalten bergauf, dann im selben Gang die Bremskraft des Motors ausnutzend wieder hinunter. Schont den Motor, die Bremsen, und die Nerven all derer, die kein schwarz-gelbes Nummernschild haben. Doch da wird bergauf geschoben und gedr?ngelt, zum ?berholen angesetzt, um dann festzustellen, da? die PS-Leistung nur in L?ndern, die unter dem Meeresspiegel liegen, reicht. Bergab wird dann das ganze Grauen deutlich: Da wird dank des Kennzeichens der Polo pl?tzlich zum 40-Tonner, besonders dann, wenn es mit Serpentinen nach unten geht. Immer sch?n weit ausholen, damit die ungebremste -im Winter nicht vorhandene- Anh?ngelast auch noch mit rumkommt. Schei? auf den Gegenverkehr, hier bin ich Mensch, hier will ich sein! ?brigens das Grundmotiv der Batavier, wie bereits an zahlreichen anderen Stellen dieses Blogs zu lesen…
Ich seh sie schon vor mir, auf der Piste: Voll mit Heineken und J?germeister (?brigens das einzige wirklich akzeptierte ur-deutsche Getr?nk jenseits der Maas) stochern sie sich gewohnt charmant und zur?ckhaltend talw?rts, sitzen nicht mitten auf der Piste und warten auf die anderen, stehen nicht dumm am Lift im Weg und treten einem nicht auf die Ski. Erfrischend, auch mal andere Holl?nder in der Gondel zu belauschen, die sich zwar philosophisch einer ganz zentralen Frage des Landes n?hern, aber schlie?lich ist ja der Weg das Ziel. Sie befinden, da? Holland ja an sich sch?n ist, es aber noch sch?ner w?re, wenn man Gebirge und -gaaanz wichtig- Gletscher h?tte. Aber nicht zu viele, wegen weil kein Platz. Ja nee Jongens, is klar: Vorm Haus den Strand und im Garten die Berge.
G?ste haben ist schon was arg feines: Da kann man mal so richtig zeigen, was wirklich in einem steckt! Ein ganzer Kerl dank Chappie.
Essen ist wirklich das einzige, was Menschen jeglicher Coleur und Gesinnung immer wieder friedlich an einem Tisch vereint. Vor allem die Amis, die lieben reich gedeckte Tische. Von allem immer etwas mehr, der Amerikanische Traum externalisiert in Form von Beer, Blondes and Schnitzel.
Und das funktioniert eben besonders gut in Deutschland. Schon bei der Tischreservierung geht’s los: „Denken Sie dran, wir sind eine AG“. -Wer w?rde sich dann gegen zarteste Lammr?cken, Edelfische, Sirloin-Steaks und Brauhaus-Schnitzel neben den besten Weinen, Grappa, Espresso Macchiato oder einem B?nnsch nach dem anderen wehren wollen, wenn der Laden zahlt? Und immer Fackelzug, alle Mann ins Taxi. Gut, CO2-technisch sind solche Firmenessen eine wahre Katastrophe, angefangen vom Argentinischen Rind, das vor seinem Ableben sicher nicht zu uns r?bergeschwommen ist. Die israelischen Tomaten stehen dann in der Emissionsbilanz auch noch schlechter da als die Paprika aus Spanien oder der Zander, der sein Filet gespendet hat. Aber das ist Globalisierung: Can’t have one without the other. Wir k?nnen wohl kaum an die Frittenbude gehen, mit den eingeflogenen Gesch?ftpartnern, ab einer gewissen Summe im Auftragsvolumen spielt ein Abendessen nur noch in der Hunderstel-Promill-Liga mit.
Eigentlich ekelhaft: Da fragen die einen, ob es in Deutschland wohl ?blich sei, seinen Teller ganz aufzuessen. Die Portionen seien ja schlie?lich so klein. Und: Man k?nne von einem Lunch in Amerika problemlos 2 weitere Tage die aufgew?rmten Reste essen. Ich antworte, absichtlich nicht frei von verachtender Ironie: „Meine Mutter hat uns Kindern immer gesagt, wenn ihr euren Teller nicht leere?t, gibt es kein sch?nes Wetter! -Nun, ich hab ihr nach meinem ersten Amerika-Besuch gesagt, da? sie gar nicht rechtgehabt haben konnte, denn auch in Amerika scheint recht oft die Sonne.“ -Staunende, leicht gekr?nkt wirkende Gesichter auf der anderen Tischseite. Homerun!
Im Brauhaus wollen wir es dann wissen, die Schnitzel sind dort so gro?, da? sie erstmal Furcht und Schrecken einjagen anstatt Appetit zu machen. Die Amis sind sichtlich beeindruckt, und selbst die Damen schmelzen beim Anblick dieser beiden enormen Fleischlappen, die keinen Quadratmillimeter Keramik mehr erkennen lassen, dahin. Geschickt essen sie um die Beilagen herum, sp?len mit ordentlich B?nnsch nach und sind ganz gl?ckseelig, da? sie diesmal was ?briglassen k?nnen. Was soll’s, die Kinder in Afrika k?nnten uns hierbei jetzt auch nur wenig helfen…
Ich bin ja nur froh gewesen, da? der B?nnsche K?bes nicht so unfreundlich ist wie das Original in K?ln. Die Jungs haben ja immer so eine Art am Leib, die mich stark an mittelhessische Fleischerei-Fachverk?uferinnen erinnert. („100g Leberwurst bitte, von der fetten, groben!“ -„Tut mir leid, die hat heute Berufsschule.“) Da kommt immerwieder Freude auf, da f?hlt man sich noch als Kunde wohl: „Sonst noch was?“ -Man sollte in Hessen gro?geworden sein, um sich da nicht dr?ber zu wundern. In diesem Zusammenhang k?nnte man jetzt noch davon erz?hlen, wie man es nur wagen kann, die Mitarbeiterinnen einer angeschlagenen, gro?en Kaufhauskette, beim Plausch zu st?ren, nur weil man etwas kaufen m?chte. Das ist jetzt zwar eine andere Baustelle aber die Denke ist die selbe: Nur nicht zu h?flich sein, denn Vorsicht, Kunde naht! Sowas gibt es in Amerika nicht, da wird man selbst dann noch mit H?f- und Freundlichkeit ?berh?uft, wenn man es gar nicht verdient h?tte. Und so wei? ich nun nach einer Woche maximaler Hospitalit?t nichtmal, ob es wirklich jedes Mal „very good“ war. Zum Gl?ck sind wir eine AG!
Ich habe noch nie von ?ber den Wolken gebloggt. Wahnsinn, ich liebe die Lufthansa! Sie ist die wahre K?nigin unter den Airlines, und das liegt nicht daran, da? das Goulasch in 10km H?he hier fast so gut schmeckt wie das, was Omi unten auf 100m ?NN zubereitet. Ich k?nnte glatt zum Fan dieser Fluggesellschaft werden, denn nicht nur hab ich bisher in der Luft noch nirgends besser gegessen als hier, nein, auch wird nirgends der erstklassige Gin mit weniger Tonic verd?nnt. Nirgendwo schmecken die Brownies mit Kirschen besser, kein anderer Cabernet aus der 1.5 Liter Flasche schmeckt s?ffiger, nirgends hab ich die Auswahl aus sovielen Zeitschriften (darunter auch Herrenmagazine). Es ist nicht wirklich der Bailey’s auf Eis, der stilvoll nach einem leckeren Mahl gereicht wird, es ist eben das Gesamtpaket, das hier den Sieg holt.
Es geht nicht darum, da? die Stewardess irgendwie globschl?chtig anmutet, es geht darum, wieviel Wein sie mir bereitwillig erst zwischen Schottland und den F?r?ern und dann zwischen Island und Gr?nland in mein edles Kunststoffglas f?llt. Auch, da? ich meinen wunderbaren Kartoffelbrei nicht mit einem darin schmelzenden Platikbesteck essen mu?, sondern mit der Lufthansa-Edition von WMF, gibt hier den Ausschlag. Und irgendwie st?rt es auf einmal gar nicht mehr, da? mir die Lufthansa ein komplett grottiges Unterhaltungsprogramm anbietet, wenn ich mit meinem Sitznachbarn nach dem 4. Wein auch so eine Menge Spa? haben kann. Sowas geht aber auch nur in Deutschland, oder besser auf deutschen Fl?gen, denn in den Ami-Maschinen trinken sich ein paar Kumpels ein paar Bier und schon ist die Stimmung nachhaltig im Arsch. Vermutlich, weil sie die einzigen waren, auf halber Strecke die Kasse am Limit ist – ein kleines Bier kostet immerhin stolze 5 Dollar – oder der gut ausgebildete Sky-Marshall nunmal keinen Spa? versteht. Oder eben alles zusammen.
Nachdem ersten Essen sind es nur noch 6 Stunden bis nach Denver. Mittlerweile habe ich aufgegeben, mich immer neu in das angeblich dauernd vorhandene WLAN einzubuchen und speichere mein Geschreibsel in einer schn?den txt-Datei, da wei? man wenigstens, was man hat. Mein Sitznachbar fliegt zum Skifahren nach Denver. Er ist Italiener, hat also jenseits der Alpen diesen Winter bislang nur von Schnee geh?rt aber noch keinen gesehen, also auf in die Rockies. Mache ich sicher auch, sobald das Kleingeld daf?r stimmt. Ich g?nn’s ihm also, er quatscht mich 1 Stunde voll, wie toll da der Schnee ist und klar, es sei schon crazy f?r 4 Tage Skifahren nach Denver zu fliegen, aber what the f**k, man lebt ja nur einmal, ist es nicht so?! -Was soll man darauf sagen? Die Wahrheit am besten. N?mlich, da? ich f?r einen Business-Trip nach Las Vegas fliegen MUSS. Da schluckt er, wir prosten uns zu, auf die Gemeinheiten des Lebens und ?berhaupt, und wir setzen die Kopfh?rer auf, denn es folgt endlich der cineastische H?hepunkt der Reise.
Geschrieben am 5.12.2006, irgendwo nahe des Polarkreises, auf dem Laptop verloren, wiedergefunden, heute fertiggeschrieben und gebloggt.
Peter ist Werbetexter und Newsletterredakteur und lebt in den Staaten. Er ist so ziemlich der belesenste und philosophischste, vielleicht auch politisch korrekteste Ami, den ich je getroffen habe. Nach einem langen Tag Projektarbeit gehen einem langsam aber sicher die Themen aus, soda? man fr?her oder sp?ter ganz sicher anf?ngt, die ?blichen Smalltalk-Themen abzufr?hst?cken.
Wenn mir nach Filmen und Musik nicht mehr viel einf?llt, bringe ich immer wieder gern das Thema Abk?rzungen und ihre Bedeutung – und man nenne mir mal einen Abend mit Business-Smalltalk, in dem keine einzige Abk?rzung vorkommt!
Bonn ist da dankbar, da geht es locker-flockig los mit Haribo, nach Hans Riegel Bonn kommen noch andere S??igkeiten wie Hanuta, schnell ist man bei Markennamen allgemein, BMW und EMW, Edeka und Rewe, aber dann:
„Wu?test Du eigentlich, da? Golf f?r ‚Gentlemen only, ladies forbidden ‚steht?“ Und w?hrend ich noch in ein tief beeindrucktes amerikanisches Gesicht schaue, kloppe ich gleich den n?chsten hinterher: „Posh -wie in Posh-Spice, Du wei?t schon, Victoria Beckham, Spicegirls, ja? -Also das steht f?r ‚Port out, starboard home‚, weil das damals in den Zeiten mit ohne Klimaanlage die bevorzugten Kabinen auf Kreuzfahrtschiffen waren und die eben von den besonders poshen Leuten gebucht wurden, was nur extreme Umst?ndlichkeiten nach sich zog – wie die Celebrities heute halt! Die Mariah Carey besteht ja auch dann noch auf ihr Evian, wenn sie im Himalaya neben der Abf?llanlage von diesem Lotusbl?ten-Kondenswasser steht, hahaha!“
Die Amis sind ja schlau, denn sie bleiben h?flich. Ich geh aber auch davon aus, da? das so stimmt, was ich da erz?hle. Peter sagt einige Stunden sp?ter, als h?tte er seine ganze Wissensdatenbank, die in seinem Kopf mit Schwarzbier beleidigt wird, durchgekramt: „I don’t really believe this.“
Heute schreibt er mir, er glaube mir noch immer nicht, aber die Stories seien unterhaltsam gewesen, immer gut f?r die n?chste BBQ-Party. Ich also zu Wikipedia. Und dann, ich fasse es nicht, steht da original, da? das alles Quatsch ist. Posh kommt von altenglisch push, was soviel bedeutet wie „Dandy“, aber die Kreuzfahrtanekdote ist immerhin die meistgenannte Fehlinterpretation. Gleiches trifft auf die Golf-Abk?rzung zu, der Ursprung ist irgendwo sprachlich zwischen schottisch und alt-germanisch zu suchen, und da? die Frauen leider drau?en bleiben m?ssen, ist eine unter M?nnern gern erz?hlte Legende.
Toll. Danke Christoph ;)
Controller sind keine Menschen. Sie sind eine eigene Spezies, irgendwo von der Evolution zwischen Mensch und Reptil vergessen, oder aber eine h?her entwickelte Lebensform, au?erirdisch vielleicht.
Diese Menschen verbringen ihren Tag in extrem tristen, v?llig undekorierten, meist leicht abgedunkelten B?ros und starren in Excel. Ich denke immer, das Gitternetz mu? sich bei denen doch auf die Netzhaut gebrannt haben, denn eine knappe Stunde Mittagspause sind wohl kaum genug als Bildschirmschoner. Wie Reptilien kommen sie mir manchmal vor, haben keine Gesichtsfarbe, bekommen keinen roten Kopf, schwitzen nicht, riechen nach nichts, essen nie, trinken nur Kaffee, den sie dann aber auch nie ?ffentlich wegtragen m?ssen – ich versteh die nicht!
Unglaublich, ich bin
eine ganz gro?e Nummer, ein Business-Leader, ein Entscheider, ein Alpha-M?nnchen, eine Top Gun, ein Hecht, ein Global Player, ein Leistungstr?ger, ein Bildungsb?rger, ein Hochqualifizierter und Over-Achiever.
… und das ist auch gut so, denn wenn es „Gott oder Gosse?“ hei?t, dann ist f?r mich die Wahl eine klare.